Bereits seit 15 Jahren bereist die Alex-Deutsch-Schule mit ihren jeweiligen Abschlussklassen die 180 Km entfernt liegende KZ-Gedenkstätte Struthof-Natzweiler inmitten des Gebirgsmassivs der Vogesen. Eine stattliche Anzahl von Fahrten also, wobei sich die Verwendung des Begriffes „Jubiläum“ vor dem ernsten Hintergrund ebenso kategorisch von selbst verbietet wie die euphorisch beschönigende Ausschmückung „herrlich gelegenes Gebirgsmassiv“. Zu bizarr ist einfach der Gegensatz zwischen der faszinierenden Schönheit der Naturlandschaft und dem ungeheuerlichen Maß an Menschenverachtung, an grausamen Auswüchsen der menschlichen Natur und schlichtweg krimineller Energie, das zu Zeiten des Nationalsozialismus hier wie in den über eintausend anderen Straf- und Vernichtungslagern diesseits und jenseits deutscher Grenzverläufe herrschte. Der 14-jährige Neuntklässler Fabio Gelardi hat seine Eindrücke von der jüngsten Exkursion nach Struthof-Natzweiler schriftlich festgehalten.

„Losgefahren sind wir an einem wunderschönen Septembermorgen mit drei Neunerklassen und den Klassenlehrern Isabell Riehm, Stephanie Roth und Dan Billes, um möglichst viel über Verfolgung und Deportation im Verlauf des zweiten Weltkrieges und auch der unmittelbaren Vorkriegszeit zu erfahren. Herr Jean-Marie Martin aus dem Elsass, zwei weitere Herren und eine Dame begleiteten uns und ließen uns an ihrem großen Wissen über die damaligen Geschehnisse teilhaben. Schon während der letzten Etappe der Anfahrt erläuterten sie uns die Bedeutung einiger Denkmäler rechts und links des Weges. Eines dieser Denkmäler war eine riesige Steintafel auf einer Lichtung unmittelbar neben dem eigentlichen Arbeitslager Struthof-Natzweiler. Hier wurden willkürlich und aus nicht nachvollziehbaren Gründen 18 Menschen erschossen, darunter der dreijährige Sohn eines einheimischen Bäckermeisters. Nachdem wir an diesem erschütternden Ort eine Weile schweigend verweilt hatten, ging es weiter zu dem berüchtigten Steinbruch, wo die Gefangenen Knochenarbeit verrichten mussten. Die Straße, die wir befuhren, war mit Errichtung des Lagers  ebenfalls von den Häftlingen des KZ angelegt worden und befindet sich noch heute in unverändertem Zustand. Im Steinbruch angekommen, fielen uns gleich zwei riesengroße und schöne Steinblöcke aus Granit auf, die ebenfalls von Gefangenen unter Zwang und Aufbietung all ihrer Kräfte bearbeitet worden waren. Erst nach Erkundung des Steinbruches betraten wir das eigentliche, von Stacheldraht umzäunte Gelände. Vier Baracken und ein paar Wachtürme hat man in dem denkmalgeschützten Lager noch erhalten. Als schlimm empfanden wir die Vorstellung, wie die Inhaftierten ihre schweren Lasten den steilen Pfad hoch – und hinabtragen mussten, oft unnötig und aus reiner Schikane heraus. Diejenigen Gefangenen, die nicht mehr leben wollten, seien einfach gegen den elektrischen Zaun gelaufen, wo sie ein tödlicher Stromstoß erwartete. Manche seien aber auch auf dem Weg zum Zaun bereits erschossen worden, erläuterte einer unserer Begleiter. Es sei auch bestraft worden, wenn man den Aufsehern direkt in die Augen sah.

Trügerische Idylle: Im Vordergrund der Galgen für öffentliche Hinrichtungen, dahinter (rechts) das Krematorium und links davon das Gefängnis mit „Krankenstation“ für Versuche an lebenden Menschen. Gut zu erkennen auch die Wachtürme und der elektrisch geladene Zaun.

Eingerüstet: Das flammenförmige Mahnmal gegen Deportation und Leid ist zurzeit eingerüstet und wird restauriert.

Hinter einer großen und mit Blumen ausgeschmückten Grube, gleich neben dem Krematorium, entdeckten wir ein großes weißes Kreuz, das zum Gedenken an die Todesopfer errichtet worden ist. Verstorbene oder ermordete Lagerinsassen wurden im Krematorium verbrannt und ihre Asche  in würdeloser Weise an dieser Stelle entsorgt.

Im weiteren Verlauf der Besichtigung erfuhren wir viele andere und kaum erträgliche Details über medizinische Experimente an lebenden Gefangenen, über Foltermethoden, grausame Hinrichtungen, sadistisch veranlagte Aufseher, unmenschliche Unterbringung und seelische Misshandlungen in jeder denkbaren Form.

Eine zehnminütige Busfahrt war nach Verlassen des Lagergeländes erforderlich, um zum letzten und wohl schlimmsten Ort der damaligen Zeit zu gelangen. Die Gaskammer von Struthof in einem kleinen Gebäude mitten im Wald erweckt zunächst den Eindruck einer kleinen Gemeinschaftsdusche. Man versuchte nach Schilderung unserer Begleiter den todgeweihten Menschen auch schon mal vorzugaukeln, dass sie von nun an frei wären, vorher aber noch eine Dusche nehmen dürften. In Wirklichkeit wurde in der Kammer ein Gas freigesetzt, an dem die Menschen qualvoll erstickten. Darunter auch die 14-jährige Katharina, also ein Mädchen so alt wie wir selbst.“

Betretenes Schweigen: Hier wurden 18 Menschen ohne ersichtlichen Grund exekutiert, darunter ein dreijähriger Junge.

„Aschengrube“: Massengrab zur Entsorgung der Asche verstorbener oder ermordeter Häftlinge

„Ende 1945 waren sie vorbei, der zweite Weltkrieg und die Naziherrschaft“, schließt Fabio seinen Bericht. Die geschätzten Zahlen kennt er auch: „Über 60 Millionen tote Zivilisten und Soldaten weltweit, über sechs Millionen mehrheitlich in Konzentrationslagern ermordete Menschen sind deutlich mehr als im ersten Weltkrieg.“

Die Rückkehr nach Wellesweiler haben Fabio und seine Schulfreunde nach eigenem Bekunden im Gefühl großer Dankbarkeit angetreten. Dankbar für all die vielen Informationen, die sie jetzt in ihrer ohnehin festen Überzeugung noch mehr bestärkt haben, dass sich derart schreckliche Vorkommnisse, die an diesem beeindruckenden Ort besonders gut nachvollzogen werden können, nie mehr wiederholen dürfen.

Bericht Fabio Gelardi und Schule, Fotos Stephanie Roth und Dan Billes   

[LBSP id=3086]