Alex Deutsch, Namensgeber der Alex-Deutsch-Schule, sagte einst: „Lasst euch nicht hineintreiben in Feindschaft und Hass gegen andere Menschen! Lernt, miteinander zu leben und nicht gegeneinander!“ Als eine wichtige Maßnahme gegen das Vergessen einer Epoche deutscher Zeitgeschichte, in der diese Maxime mit Füßen getreten wurde, gilt die traditionelle Reise der Klassenstufe 9 zur KZ-Gedenkstätte Natzweiler-Struthof in den Vogesen. Im Folgenden berichtet der Schüler Benjamin Klasen über den Ablauf der diesjährigen Lehrfahrt in das ehemalige Konzentrationslager unweit der elsässischen Metropole Straßburg. 

Vor der Fahrt: Bereits einen Tag vor dem eigentlichen Ereignis waren die Struthof-Experten Axel Brück und Horst Bernhard zu Besuch in der Schule, um die Schüler auf die Fahrt vorzubereiten. Im Mittelpunkt standen dabei die Erzählungen des 84-jährigen Zeitzeugen Horst Bernhard, der uns über Erlebnisse aus seiner Jugend berichtete, als sich das Unglück in Form des emporstrebenden Naziregimes anbahnte und seine Familie aufgrund ihrer Angehörigkeit zum Judentum im Anschluss an die Volksabstimmung 1935 in den Süden Frankreichs emigrieren musste. Nach der beeindruckenden Schilderung seiner Erlebnisse aus Kindheit und Jugend stand Herr Bernhard den Schülern für weitere Fragen zu Verfügung, die teils persönlich, aber auch geschichtlicher Natur waren.

Während der Fahrt: Auf der Busfahrt nach Schirmeck und Struthof erhielten die drei Neunerklassen, begleitet durch ihre Lehrerinnen und Lehrer Sarah Hofer, Christian Eisenla, Christine Rings und Dagmar Andres, weitere Informationen zu geschichtlichen Hintergründen. Dabei erfuhren sie, dass der Bau des Konzentrations-, Vernichtungs- und Arbeitslagers am 1. Mai 1941 begann und die ersten Häftlinge am 21. und 23. Mai dort eintrafen.

Ankunft vor Ort: Erster Haltepunkt vor Ort war ein Denkmal, das über einer Grube errichtet wurde, in der neben rund 250 anderen Menschen auch eine Bäckersfamilie mitsamt ihrer beiden Kleinkinder von der Gestapo erschossen wurde, so Herr Brück. Niemand dachte, dass eine solche Tat an Grausamkeit übertroffen werden könnte. Doch die Schüler wurden eines Besseren belehrt, denn im Anschluss an die Exekutionen wurde den Angehörigen der Erschossenen neben der Todesnachricht auch eine Rechnung für die verwendete Munition sowie für das Herrichten der „Grabstätten“ zugestellt. Weiter ging es dann hinauf auf den „Mont Louise“ zum Arbeitslager in der Nähe eines Steinbruchs.

 

Zurück im eigentlichen Lager teilte man uns mit, dass die ursprüngliche Kapazität für 3000 Inhaftierte auf viereinhalb Hektar Fläche später auf 6000 Menschen erhöht wurde, wodurch für jede einzelne Person unglaublich wenig Platz übrig blieb. Die Führung im Inneren verschlug etlichen Schülern die Sprache. Von den vielen Gebäuden, die damals hochgezogen wurden, stehen heute noch vier. Einige Erzählungen über Fluchtversuche der Häftlinge waren auf eine erschreckende Weise wachrüttelnd und ließen uns Schauer den Rücken herablaufen. Es war brutal, abartig und unmenschlich, was mit den Häftlingen geschah und wie man sie behandelte. So befand sich beispielsweise auf dem Appellplatz ein Galgen, an dem unter schrecklichen Begleitumständen Menschen erhängt wurden, zuweilen sogar als “Opfergabe” im Zuge eines Feiertages. Mehrere Gedenkstätten und in Stein gemeißelte Inschriften sind im ganzen Lager verteilt, der Nachwelt zur Mahnung.

 

Im Gefängnis erfuhren wir, mit welchen Methoden die Häftlinge manchmal zu Tode gequält wurden. Prügelbock, Senfgas-Versuche und Bestrafungen für jede Kleinigkeit waren bei Weitem nicht alles an sadistischen Maßnahmen der Peiniger. Fluchtversuche gab es trotz schwerer Strafen genug. In spektakulärer Weise gelang aber nur einer davon! Ein Häftling eignete sich erfolgreich die Uniform eines Lagerkommandanten an, mit welcher er unerkannt aus dem Lager entkam und später, nach Entledigung der Verkleidung, weiter nach Algerien fliehen konnte, wo die SS keinen Zugriff mehr auf ihn hatte.

Mit dem tröstlichen Gedanken, dass wenigstens eine der vielen armen Seelen sich retten konnte, führte uns die Besichtigungstour weiter zum Krematorium des Lagers. Auch hier mussten die Schüler erfahren, mit welcher entsetzlichen Grausamkeit das Naziregime unschuldige Gefangene behandelte, von denen einige sogar bei lebendigem Leib verbrannt wurden.

 

Danach besuchten die Schüler das Museum, in welchem Aushänge und Informationstafeln über die Hierarchie der SS zu finden waren. Außerhalb des Lagers liegt die frühere Gaskammer. Jedem von uns war es freigestellt, diesen Ort des Entsetzens zu besichtigen. Einige Schüler fassten den Mut, sich im Innern des kleinen Gebäudes ein weiteres Bild von den Gräueln der Zeit zu machen. Warum Derartiges damals geschah, kann niemand nachvollziehen, der rational denkt. Grundlos war der als Genozid bezeichnete Völkermord an anderen Rassen allemal. Völlig sinnlos, brutal, grausam und abscheulich erscheinen die Absichten und Taten des damaligen Regimes. So etwas kann und soll niemals wieder geschehen – dafür sollten sich alle nachfolgenden Generationen einsetzen.

Nach unserem Besuch in Struthof wünsche ich mir persönlich, dass die Menschen bewusster nachdenken, dass sie einträchtig zusammenleben und sich nicht gegenseitig bekämpfen. Wichtig ist, dass wir uns gegenüber jedem Ansatz von Unrecht, Diskriminierung, Terror und Diktatur zur Wehr setzen. Jeder Mensch ist gleich, das sollte jedem von uns deutlich vor Augen stehen.

Bericht: Benjamin Klasen (Klasse 9a) und Jasmin Kaffka

Fotos:   Christine Rings und Sarah Hofer