160 „Kids“ aus den Klassenstufen sieben bis zehn, unterrichtet von nur zwei „Teachern“, das ergab eine tolle Schüler-Lehrer-Relation. Die englische Schauspielerin Jasmine „Jazz“ Atkins-Smart und ihr schottischer Kollege David Tomas-Allan ließen in der evangelischen Kirche von Wellesweiler den großen Traum all der sparbeflissenen Kassenverwalter aus Staat und Bildung für kurze Zeit Realität werden. Im englischsprachigen Musical „Aldrick Castle“ übernahmen die beiden Alleindarsteller ständig wechselnde Rollen und begeisterten trotz einiger sprachlicher Hürden den Großteil des jugendlichen Publikums.
Das Musical „Aldrick Castle“ nimmt die Zuschauer mit auf eine Reise in die Vergangenheit. Beim Ausflug einer Schulklasse in das geheimnisvolle Schloss „Aldrick“ schlüpft ein Schüler namens Tom durch ein „Zeitloch“ und tritt in Kontakt zu den Bewohnern des 17. Jahrhunderts. Mit Hilfe des Küchenmädchens Sally gelangt Tom in den sagenumwobenen Kerker der menschenverachtenden und grausamen Schlossherrin und befreit dort alle Gefangenen. Bevor sich Tom durch das Zeitloch wieder zu seiner Schulklasse gesellt, sorgt er dafür, dass die böse Countess von Aldrick selbst im Kerker landet.
Jazz Atkins-Smart und David Tomas-Allan boten in Wellesweiler eine atemberaubend schnelle Show, wobei besonders der junge Mann die Zuschauer unter einer lebhaften Gestik zum Mitmachen und Mitsprechen einfacher Begriffe animierte. Während seine Talente eher im professionellen Bereich eines ausdrucksstarken und gestenreichen Comedians angesiedelt sind, beeindruckte Kollegin Jazz Atkins-Smart durch tolle tänzerische und gesangliche Leistungen unter rasend schnellen Wechseln von Rollen und Kostümen.
Starallüren bei den beiden Alleinunterhaltern suchte man übrigens vergeblich. Mit Charme und Offenherzigkeit ging das gut eingespielte Duo auf Schüler und Lehrer zu, bezog das Publikum immer wieder in seine Show mit ein und stand auch beim Abschluss bestens gelaunt für die obligatorischen Erinnerungsfotos zur Verfügung.
Veranstaltungen des Krefelder Event-Unternehmens „Theatre@School“ haben natürlich auch einen unterrichtlich bedeutsamen Hintergrund. Sie sollen das Interesse an der englischen Sprache anheben und gleichzeitig vertiefen. Um die anfänglichen Hemmungen des jungen Publikums zu beseitigen, war in der Wellesweiler Kirche freilich der eine oder andere Kunstgriff erforderlich, um die Schüler unter vielen „Aaah`s und Oooh`s“ sowie in bester La-Ola-Manier aus der einsetzenden Winterstarre zu reißen. Ein funktionierendes Mittel, das die zwölfjährige Melina Schneider und ihre ein Jahr ältere Freundin Aurora Fejzullahu aus Klasse 7b der Lehrerin und Initiatorin Andrea Moll für durchaus angebracht hielten. Sehr gut fanden beide auch, dass die Darsteller immer wieder mit viel Power durch das junge Publikum wuselten, es zur Artikulation einfacher Sprechinhalte motivierten oder einzelne Schüler in einer gelungenen Mischung aus Kunst und Klamauk zur Übernahme kleiner Rollen vor der minimalistischen Schloss-Kulisse aus Holz und bunten Tüchern ermutigten. Selbst der Chronist, der sich zeitlebens mit Erfolg vor Gesellschaftstänzen klassischer Prägung zu drücken verstand, wurde von der „grausamen“ Countess of Aldrick unversehens zu einem höfischen Walzer überrumpelt. „Sah richtig gut aus“, befanden hinterher viele aus dem amüsierten Publikum, was in dem bekennenden Nichttänzer dann doch ein gewisses Gefühl von Stolz erweckte.
„Die Zeit ging vorbei wie im Flug“, zeigten sich Melina und Aurora noch lange nach Ende der Aufführung richtiggehend verblüfft. Das lag bei ihnen wohl daran, dass sie sich beide sehr für die englische Sprache interessieren, die sie nach eigenem Bekunden bei Englischlehrerin Andrea Moll zu einem recht hohen Grad der Reife gebracht haben. Aber auch zuhause werde durch den Konsum englischsprachiger Youtube-Beiträge, durch Anhören englischer Lieder oder bei Videospielen mit weltweit auf englisch geführten Internet-Chats fleißig geübt. „Unsere Sicherheit im Netz nehmen wir dabei sehr ernst“, versicherten die beiden IT-versierten Freundinnen auf besorgte Nachfrage. Den Dialogen und Konversationen im Theaterstück konnten die Mädchen problemlos folgen. Konzentration sei natürlich Voraussetzung, meinten sie, und in der Tat entging nicht einmal der leichte Akzent des schottischen Darstellers David ihrer Aufmerksamkeit.
Melina und Aurora befanden das Stück „Aldrick castle“ und die sich anschließende Fragerunde als ausgesprochen „spannend, interessant und lehrreich“. Sie beschlossen die erste Theaterkritik ihres Lebens mit dem Wunsch, in absehbarer Zeit noch einmal so eine Unterrichtsstunde der besonderen Art erleben zu dürfen.
Bericht und Fotos Erich Hoffmann
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